Wollbild: Frühlings-Lamm

 

Nach und nach möchte ich meine Wollbilder und die Geschichten bzw. Anekdoten dazu näher vorstellen.

 

 

Frühlings-Lamm

 

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„Das Lamm steht auf der Wiese und schaut ins Leere.

Es „schaut in die Schweiz“ hätte meine Mutter gesagt. Es fühlt den vollen Milchbauch, die warme Müdigkeit.

Eine Biene surrt in seiner Nähe zu einer Blüte, dann flattert ein Schmetterling vorbei.

Das Lamm faltet erst Hinter- dann Vorderbeine unter seinem Körper zusammen, schließt die Augen, schläft.

Ich stehe derweil am Zaun und höre einen Fasanen-Schrei aus den Büschen weiter hinten. Er klingt metallisch, irgendwie scheppernd.

Mücken tanzen um meinen Kopf und immer mal wieder sticht eine zu.

Als vom nahen Dorf Glockengeläut herüber weht, breitet sich ein tiefes Gefühl von Frieden in mir aus.“

 

 

In den letzten Wochen hatte ich das große Glück mehrere kleine Lämmer bestaunen, berühren und sogar als Schafs-Patin begleiten zu dürfen.

Die Ruhe und Freude, die ich dabei erlebte – dafür bin ich dankbar.

 

Leise meckernde Grüße sendet Euch

Frau Wollwesen

 

Wollbild: Hüter der Pflanzenfasern

Nach und nach möchte ich meine Wollbilder und die Geschichten dahinter näher vorstellen.

 

Diese hier erzählt über den

Hüter der Pflanzenfasern

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„Er lebt dort, wo die offenen Wiesen und Weiden ihre Begrenzung finden durch Büsche und Bäume. Dort, wo an ihrem Rand die Brombeeren empor wuchern, die Menschen und große Tiere daran hindern, sich tiefer hinein zu bewegen. Nur Vögel, Mäuse und anderes kleines Getier kann sich hier mühelos bewegen, ohne an Dornen und Kletten hängen zu bleiben.

Der Hüter der Pflanzenfasern ist nicht mehr jung, sein wirres Haar schneeweiß und lang. Samen hängen darin, was sein ganzer Stolz ist. Er trägt darin die Erinnerung an viele Pflanzen, die er lange nicht mehr gesehen hat, die es heute wohl gar nicht mehr gibt. Ihre Namen klingen ihm dennoch ganz vertraut im Ohr nach: Heckensonnenkraut, Klettergawain, Mirandawurzel, Nachtröschen… Er murmelt sie vor sich her, während seine alten, an Wurzeln erinnernden Hände die weißen Samenflocken der Waldrebe von kleinen Ästen und Dornen zupfen.

Er sammelt sie zu einem großen watteweichen Buschen zusammen und wickelt sie anschließend in ein Hainbuchenblatt. Einige dieser Blätter liegen schon gefüllt in seinem Haus weiter hinten, dort, wo die rosa Heckenrose wächst. Ihre Blüten haben sich längst in leuchtend rote Hagebutten verwandelt, Früchte, die der Hüter der Pflanzenfasern liebt und mit großem Genuß verzehrt.

Doch jetzt ist er nicht hungrig. Er prüft sorgfältig seinen Vorrat an Fasern. stirnrunzelnd sinnt er nach, ob genug gesammelt wurde. Er denkt an all die Vögel, die im Frühling nach Polstermaterial für ihre Nester anfragen werden. An die vielen Mäuseeltern, die ihre Kinderstuben weich und warm herrichten wollen. Und nicht zuletzt an seine allerwichtigste Aufgabe: Das Aussäen der Samen an Orten, an denen diese Pflanzen bisher noch nicht wachsen, wo sie aber dringend benötigt werden.

Mit einem Seufzer macht er sich schließlich wieder auf den Weg. Noch viele Blätter wird er füllen, bevor der Herbst mit seinen Stürmen an den Samenständen zerrt. Bevor der weiße kalte Schnee sich über das Haus des Hüters legt und ihn seinen wohlverdienten Schlaf schlafen läßt. Bevor der frische grüne Frühling dort hereinschaut und mit ihm seine gefiederten und pelzigen Gesellen….“